Am 18. Dezember 2023 veröffentlichen das Dikasterium für die Glaubenslehre in Rom und Papst Franziskus eine – scheinbar – bahnbrechende neue Erklärung. Homosexuelle und sogenannte „irreguläre“ Paare, also etwa wiederverheiratete Geschiedene, dürfen vom Priester gesegnet werden. Die Erklärung wird von vielen hierzulande als überfällige Liberalisierung aufgenommen.
Doch der Jubel verebbt rasch. In Afrika, in Asien, aber auch in konservativen Teilen der Kirche des Westens – etwa in den USA – gilt die Erklärung als skandalöser Abfall Roms vom Glauben. Rom reagiert und präzisiert im Jänner 2024: Die Segnungen sollen kurz und beiläufig ausfallen, die Verbindung selbst werde nicht gesegnet. Sexualität außerhalb der Ehe und Homosexualität bleiben Sünde. Dennoch scheint in den Dokumenten auch die pastorale Sorge um Homosexuelle und „Irreguläre“ durch – sie sollen sich durch den Segen in der Kirche willkommen und aufgehoben fühlen.
Ein unmöglicher Spagat, meinen viele Theologen und auch homosexuelle Paare, die sich der Kirche nahe fühlen. Die Sprache bleibe verletzend, eine wirkliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Sexualität finde nicht statt.
Papst Franziskus selbst ist schon in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires für die Homo-Zivilehe eingetreten. Nach vier Monaten im Amt verurteilt er ausdrücklich und medienwirksam die Diskriminierung von Homosexuellen: „Wenn jemand gay ist und guten Willen hat und den Herren sucht, wer bin ich, diese Person zu verurteilen?“ Worte, die den Kern seines pastoralen Denkens auf den Punkt bringen – gerade angesichts der Verfolgung Homosexueller in der Welt.
Die von Franziskus später einberufenen Bischofssynoden und die Weltsynode diskutieren auch darüber. Für eine Änderung der Lehre gibt es aber keine Mehrheit.
Die Dokumentation analysiert die Hintergründe der enormen Spannungen in der katholischen Weltkirche bei diesem Thema. Peter Beringer hat dazu Seelsorger, betroffene Paare und Theologen befragt. In der Praxis, so stellt sich heraus, ist die Kirche zumindest hierzulande der offiziellen Lehre weit voraus: Eheähnlicher Segen für homosexuelle Paare ist gang und gäbe, Homosexuelle arbeiten auf Gemeindeebene selbstverständlich mit.
Für andere homosexuelle Frauen und Männer ist trotzdem der Bruch mit der Kirche irreparabel: Zu lange habe die Kirche verabsäumt, die Gleichwertigkeit aller Menschen in den Köpfen zu verankern. Es gebe nach wie vor eine Weigerung, Erkenntnisse der Humanwissenschaften zu Sexualität, Partnerschaft und Liebe zur Kenntnis zu nehmen. 2000 Jahre Tabuisierung und Ablehnung von Homosexualität durch die christliche Sündenlehre – sie lassen sich nicht mit einem Federstrich des Vatikans aus der Welt schaffen.